Lieferkettengesetz: Unternehmen haften für Missstände bei Zulieferern

Die Bundesregierung hat sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Was das für Unternehmen bedeutet.
Die Bundesregierung hat sich auf einen Entwurf für das Lieferkettengesetz für Unternehmen geeinigt. Demnach greift ein Stufenplan, der zunächst große Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern bei Missständen bei Zulieferern in die Pflicht nimmt, anschließend aber auch kleinere Unternehmen. Das Gesetz soll noch vor September 2021 verabschiedet werden und Anfang 2023 in Kraft treten.
Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, Menschenrechte und Umweltstandards bei ihren Zulieferern im Ausland durchzusetzen. Damit sollen Missstände wie Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Umweltverschmutzungen oder die Zahlung von Hungerlöhnen reduziert werden.
Lieferkettengesetz tritt Anfang 2023 in Kraft
Das Lieferkettengesetz gilt ab Januar 2023 für Firmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, ab 2024 dann auch für Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz müssen die Firmen mit Bußgeldern rechnen. Sie sollen dann auch bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Eine umfassende zivilrechtliche Haftung soll es für die Unternehmen nicht geben.
Das Wirtschaftsministerium hatte zuletzt in den Verhandlungen die Vorstellungen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) deutlich abgeschwächt. Das Lieferkettengesetz gilt als umstritten. Kritiker sehen darin eine Gefahr für den Standort Deutschland.
Video | Einfach erklärt: Ein Gesetz für faire Lieferketten – was ist das eigentlich?
Was das Lieferkettengesetz für Unternehmen bedeutet
Das deutsche Recht erfordert derzeit lediglich eine Berichterstattungspflicht über Maßnahmen zur Einhaltung von Menschenrechten innerhalb der Lieferkette.
Durch das neue Lieferkettengesetz sollen Unternehmen für Verletzungen von Menschenrechten innerhalb der eigenen Lieferkette verantwortlich gemacht werden können. Grundlage bilden die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, wonach weltweit der Menschenrechtsschutz durch nationale Aktionspläne umgesetzt werden soll.
Was ändert sich?
Die unternehmerischen Sorgfaltspflichten werden ausgeweitet:
- Die Pflicht zur Risikoanalyse:
Unternehmen müssen künftig ihre Lieferkette anhand benannter Risikofelder (zum Beispiel Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Umweltverschmutzung) untersuchen und bewerten. - Die Pflicht zu Folgemaßnahmen:
Unternehmen müssen zur Risikominimierung oder -ausschaltung geeignete Maßnahmen einleiten, um die Probleme zu lösen. Der Abbruch von Geschäftsbeziehungen stellt das letzte Mittel der Wahl dar. - Die Berichterstattungspflicht:
In einem jährlichen, öffentlichen Bericht sollen Unternehmen die Wahrung ihrer Sorgfaltspflichten nachweisen. Der Bericht soll das eigene Unternehmen und direkte Zulieferer berücksichtigen. - Die Ausweitung der Haftung:
Es besteht prinzipiell keine Haftung entlang der gesamten Lieferkette. Lediglich bei Verdacht auf Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten besteht eine abgestufte Haftung gegenüber mittelbaren Zulieferern. Eine viel diskutierte zivilrechtliche Haftung ist damit ausgeschlossen.

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Lieferkettengesetz in der Kritik: Pro und Contra
Bei dem aktuellen Entwurf zum Lieferkettengesetz handelt es sich um einen Kompromiss der beteiligten Ministerien, dem bereits ein langer Streit vorausgeht. Eine Selbstverpflichtung der deutschen Unternehmen zur Wahrung von Menschenrechten und Umweltschutz bei ihren Aktivitäten war gescheitert. Die Rufe nach einer einheitlichen gesetzlichen Regelung wurden lauter – quer durch alle Parteien und vereinzelt auch von großen Konzernen – während das Bundeswirtschaftsministerium bis zuletzt versucht hatte ein Lieferkettengesetz zu verhindern.
Der aktuelle Entwurf: Ein reines Lippenbekenntnis?
Doch wie lauten die wesentlichen Kritikpunkte des Lieferkettengesetzes? Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher bezeichnet den Entwurf in einem Gastbeitrag für die „Welt“ als „zahnlosen Tiger“, „faulen Kompromiss“ und „moralisches Versagen, das die Wirtschaft teuer zu stehen kommen wird“.
Kritiker bemängeln, dass Unternehmen nicht zivilrechtlich für Missstände entlang der Lieferkette haften und dass sich die Sorgfaltspflicht nur auf mittelbare Zulieferer bezieht und nicht auf die gesamte Lieferkette. Unternehmensverbände hingegen argumentieren oft, ein strenges Lieferkettengesetz sei zu teuer für die Wirtschaft und schade somit dem Standort Deutschland. Zudem sei es vor allem für kleine Unternehmen nicht leistbar, die gesamte Lieferkette zu überprüfen. Andere wiederum fordern eine europaweit einheitliche Gesetzgebung, um Standortnachteile auszuschließen und Unterstützung durch die Politik bei der Überprüfung der Lieferketten, etwa mit Hilfe der Auslandshandelskammern (AHK) oder Zertifizierungsprozesse durch öffentliche Institutionen.
Gesetzgebung: Arbeitsbedingungen im Fokus
Die Bundesregierung und die EU haben die Arbeitsbedingungen der Unternehmen derzeit verstärkt im Blick. Neben dem Lieferkettengesetz soll auch die EU-Direktive zum Hinweisgeberschutz (EU-Whistleblower-Richtlinie) Missstände in Unternehmen reduzieren. Das deutsche Justizministerium hat hierzu ebenfalls einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, um Hinweisgeber besser zu schützen.