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Warum ist ethische Führung so schwer?

Im zweiten Teil unserer Blogreihe “Epic Ethical Leadership Fails” geht Gastautorin Dr. Bettina Palazzo der Frage auf den Grund, warum so viele Erfolgsmenschen und Führungskräfte oft an der Ethik scheitern.

by Dr. Bettina Palazzo 3 min

    Wenn wir von aussen auf die jüngsten «epic ethical leadership fails» von Novak Djokovic bis Boris Johnson schauen, dann fragt man sich meistens:

    «Was haben die sich eigentlich gedacht?»

    Ja, von aussen ist uns allen natürlich klar, dass Führungspersönlichkeiten unter ethischer Dauerüberwachung stehen, dass sie an ihren Taten und an ihren Worten gemessen werden und dass sie gnadenlos abgestraft werden, wenn sie glauben, dass sie wegen ihrer Machtposition Anspruch auf Sonderrechte hätten.


    Dabei vergessen wir als (allwissende) Beobachter nur allzu gerne, dass es im Nachhinein und als unbeteiligter Aussenstehender so viel leichter ist, die ethischen Fallsticke zu erkennen, als jemand der unter Zeit- und Erfolgsdruck auf ein komplexes Problem reagieren muss.

    Wir haben es hier offenbar mit einem Auseinanderklaffen von zwei Dynamiken zu tun:

    Auf der einen Seite haben die meisten Führungskräfte nie gelernt, wie ethische Führung geht und wie man die ethischen Fallstricke, die mit Machtpositionen einhergehen, vermeidet. Auf der anderen Seite ist das Toleranzlevel der Gesellschaft für schlechte Vorbilder in den Teppichetagen dramatisch gesunken.

    Der Beweis: Gemäss einer Studie von PWC wurden 2018 in den USA erstmal in der Geschichte dieser jährlichen Untersuchung, mehr CEOs wegen moralischen Verfehlungen als wegen schlechten finanziellen Ergebnissen geschasst. Das Sündenregister geht von sexuellem Fehlverhalten über Verstrickungen in Betrug, Korruption und Insiderhandel.

    Wir müssen uns also fragen: Warum scheitern so viele Führungskräfte an der Ethik?

    Ich habe in meinem letzten Blogpost schon über die Machtvergiftung gesprochen. Gemäss neuropsychologischer Forschung neigen Menschen in Machtpositionen zu respektlosen und impulsiven Verhalten, glauben, dass ihnen mehr zusteht als anderen und haben immer eine clevere Ausrede für ihr unethisches Verhalten.

    Machtvergiftung + Vermessenheitsverzerrung = ethische Fehlentscheidungen

    Die Effekte der Machtvergiftung werden ausserdem durch das oft übermäßige Selbstvertrauen von Managern verstärkt. Klar, Führungspersönlichkeiten müssen selbstbewusst sein, sonst wären sie keine Führungskräfte. Die Kehrseite einer sehr positiven Selbsteinschätzung ist aber, dass sie sehr leicht in Selbstüberschätzung («over-confidence bias») umschlagen kann und man sich im entscheidenden Moment nicht die notwendigen (selbst)kritischen Fragen stellt.

    Diese Form der Selbstüberschätzung geht oft mit der menschlichen Tendenz einher, sich für ethischer zu halten als die anderen. Man nennt das «moral superiority bias». Es gibt viele Studien, die zeigen, dass die meisten Menschen sich für die klüger und fleissiger als den Durchschnitt halten – rein statistisch ist das zwar nicht möglich, aber es hilft, um unser Selbstwertgefühl zu boosten. Bei der Einschätzung der eigenen moralischen Eigenschaften übertreiben Menschen anscheinend am meisten: gemäss einer Untersuchung mit britischen Gefängnisinsassen schätzen selbst diese sich als vertrauenswürdiger, ehrlicher und mitfühlender als den Durchschnittsbürger ein.

    Sie kennen das vielleicht selbst, wenn Sie jemals mit Mitbewohnern zusammengelebt haben: Wir sind immer davon überzeugt, dass wir mehr aufräumen als die andere Person…

    Machtvergiftung + Vermessenheitsverzerrung + schlechte Speak-up Culture = tickende Zeitbombe

    Aus der Forschung wissen wir auch, dass wir alle uns für gute Menschen halten, und wenn jemand dies in Frage stellt, werden wir sofort wütend und defensiv. Der wissenschaftliche Begriff dafür ist „moralische Identitätsbedrohung“. Das ist einer der Gründe, warum Menschen in Führungspositionen in der Regel kein kritisches Feedback zu ihrer Ethik erhalten, weil die Menschen in ihrem Umfeld sehr wohl wissen, dass dies die Beziehung gefährden würde. Wer aber nie kritisches Feedback bekommt, kann auch nicht selbstkritisch über die ethische Dimension seines Handelns nachdenken. Niemand ist ethisch perfekt und ohne Hinweise von aussen ist es sehr schwer, sich hier zu hinterfragen.

    Die Folge ist, dass die Menschen in den Unternehmen oft schon von den Problemen wussten, lange bevor dann «plötzlich» die Bombe eines Unternehmensskandals hochgeht. Und dann fragen sich alle ganz erschrocken, warum niemand etwas gesagt hat.

    Wie bei der Machtvergiftung ist es für den einzelnen Manager gar nicht so einfach, selbstkritisch auf dem Teppich der Tatsachen zu bleiben und bei kritischen Fragen zu ihren moralischen Qualitäten nicht defensiv zu werden.

    Auch hier brauchen wir Unternehmensstrukturen, die die ethische Kompetenz von Führungskräften fördern, egomane Selbstdarstellern keine Chance geben und eine Gesprächskultur aufbauen, in der das Ansprechen von ethischen Bedenken normal und wünschenswert ist.

    In der nächsten Folge dieser Ethical Leadership Serie geht es dann darum, warum ein höherer Frauenanteil ein Erfolgsrezept für weniger Ethical Leadership Fails sein könnte.

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    Dr. Bettina Palazzo
    Dr. Bettina Palazzo

    Dr. Bettina Palazzo ist der Überzeugung, dass unethische Unternehmen unglücklich machen. Deshalb setzt sie sich seit über 25 Jahren mit unermüdlicher Begeisterung dafür ein, Unternehmensethik zu einem Thema zu machen, bei dem alle dabei sein wollen. Sie unterstützt Unternehmen und Non-Profit Organisationen dabei, die ethische Kompetenz ihrer Führungskräfte zu fördern.

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